Dr. Georg Nies fotografiert seit über 25 Jahren unter Wasser - natürlich mit Nikon. In seinen Workshops gibt er sein Wissen in allen Fragen der Unterwasserfotografie und Fototechnik weiter. Seit 2012 betreibt er zudem das SEACAM Kompetenzzentrum in Deutschland in Seelscheid, rund 40 km südöstlich von Köln. Wir haben den promovierten Meeresbiologen und Unterwasserfotografen mal ein paar Fragen gestellt.

Hallo Georg, …

Schorsch, bitte – so nennt man mich in Taucherkreisen …

Einverstanden. Erste Frage: Wie bist du zur Unterwasserfotografie gekommen?

Angefangen habe ich buchstäblich ganz trocken, witzigerweise als Fotofachverkäufer. Ich habe damals eine Ausbildung bei einem alteingesessenen Kölner Fachgeschäft gemacht, später dann Meeresbiologie studiert und schließlich in Gewässer- und Seenkunde promoviert. Inzwischen fotografiere ich seit mehr als 30 Jahren unter Wasser. Als Unterwasserfotograf verbinde ich also beide Kompetenzen miteinander: das Fotografische und die Meeresbiologie. Seit 2012 betreibe ich zudem das SEACAM Kompetenzzentrum in Deutschland.

SEACAM gilt als Rolls Royce unter den Unterwassergehäuse-Herstellern …

So könnte man es formulieren, ja

Wenn wir schon beim Thema Top-Technik sind: Welche Kamera eignet sich am besten für die Unterwasserfotografie?

Fairerweise muss man sagen, dass inzwischen alle professionellen Digitalkameras sehr gute Ergebnisse liefern, deshalb biete ich auch verschiedene Marken an. Trotzdem habe ich definitiv eine Präferenz für eine Marke, und das ist Nikon.

Woher diese Vorliebe?

Bei der Unterwasserfotografie spielen neben der Bildqualität auch weitere Aspekte eine wichtige Rolle, die „Landfotografen“ gar nicht so bewusst sein dürfte.

Dr. Georg Nies ist mit Leib und Seele Unterwasserfotograf

Nämlich?

Das Handling. Die Nikon-DSLRs sind zum Beispiel die einzigen, bei denen ich unmittelbaren Zugriff auf den Autofokus habe. Den kann ich unten an der Kamera einstellen und bei Bedarf auch auf manuellen Fokus umstellen – woran bei sehr kleinen Motiven kein Weg vorbeigeht. Bei anderen Marken geht dies im Unterwassergehäuse nicht.

Es geht also um ganz handfeste Aspekte?

Ja. Dass Nikon diesbezüglich die Nase vorn hat, liegt wohl auch daran, dass das Unternehmen auf eine langjährige Tradition in Sachen Unterwasserfotografie zurückblicken kann. Schon Anfang der 1960er Jahre kam unter dem Namen Nikonos eine waschechte Kleinbild-Unterwasserkamera auf den Markt, deren Design auf einen Entwurf des Unterwasserbild-Pioniers Jacques Cousteau zurückging. Technologischer Höhepunkt war ein paar Jahre später das SLR-Modell Nikonos RS, das bis 2001 angeboten wurde. Eine proprietäre Unterwasser-Spiegelreflexkamera mit Autofokus, legendär – und gefragt bis heute. Das liegt auch an den eigens dafür konstruierten Objektiven wie dem unerreichten R-UW AF Fisheye-NIKKOR 13 mm f/2,8. Wer einmal Bilder gesehen hat, die mit diesem speziell für die Unterwasserfotografie gerechneten Objektiv gemacht wurden, ist für alles andere verdorben. SEACAM baut dieses Objektiv so um, dass es mit aktuellen Vollformat-DSLRs genutzt werden kann.

Und welche Kamera eignet sich aus deiner Sicht aktuell am besten für Shootings unter Wasser?

Zweifellos die Nikon D850. Entsprechend machen die Gehäuse für die D850 rund 40 % meiner Verkäufe aus.

Was ist mit spiegellosen Modellen wie Nikon Z 6 oder Z 7?

Im Prinzip ist der „What You See Is What You Get“-Effekt, den die beiden genannten Kameras liefern, der Traum eines jeden Unterwasserfotografen: eine Kamera, die unmittelbar zeigt, wie das Bild aussehen wird, farblich wie belichtungstechnisch. Was dem Siegeszug aktuell allerdings entgegensteht, ist die Tatsache, dass noch nicht alle Objektive verfügbar sind, die man unter Wasser nutzen möchte. Aber hier wird es von Nikon schon bald wichtige Objektive wie ein 60 mm und ein 105-mm-Makro geben.

Wie wichtig ist das Blitzen unter Wasser?

Sehr wichtig. Das Wasser filtert die Farben sehr schnell aus. In fünf Metern Entfernung vom Motiv ist das Rot komplett weg, entfernt man sich weiter, schwinden nach und nach auch Gelb und schließlich Blau. Ohne Blitzlicht haben Unterwasserbilder praktisch immer einen Blaustich.

Welche Objektive empfiehlst du deinen Kunden?

Zunächst einmal: Die Kriterien für Objektive sind unter Wasser komplett anders als an Land. Das größte Problem sind die Schwebeteilchen, die sich überall im Wasser befinden. Durch den Blitz erscheinen diese als helle Flecken, die sehr stören. Um diesen Effekt zu minimieren, gilt es, die Entfernung zum Motiv möglichst gering zu halten. Deshalb nutzt man im Weitwinkelbereich das AF-S FISHEYE-NIKKOR 8-15 mm 1:3,5-4,5 E ED sowie das AF-S NIKKOR 16-35 mm 1:4G ED VR, und im Makrobereich das AF-S Micro-NIKKOR 60 mm 1:2,8G ED und das AF-S VR Micro-Nikkor 105 mm 1:2,8G IF-ED. Mehr Objektive braucht man nicht.

Wie belichtet man optimal?

Das Wichtigste und zugleich Anspruchsvollste betrifft den gekonnten Umgang mit dem Licht. In der Unterwasserfotografie haben wir es immer mit Mischlicht-Situationen zu tun: Der Vordergrund ist vom Blitz bestimmt, der Hintergrund vom vorhandenen Licht. Bei allen Bildern werden Zeit, Blende und ISO selber eingestellt, da die Automatiken unter Wasser nicht funktionieren. Durch die Blende verändert man die Helligkeit des Vordergrundes, während man mit der Verschlusszeit die Helligkeit des Hintergrundes anpasst. Durch diese gedankliche Trennung ist es einfacher, die korrekte Belichtung zu finden.

Gibt es so etwas wie eine optimale Blende unter Wasser?

Die Blende sollte mindestens 5.6 betragen, idealerweise kleiner. Mit einer Blende von 11 startet man meistens.

Warum?

Weil wir es durch den anderen Brechungsindex von Wasser mit einer scheinbaren Brennweitenverlängerung zu tun haben. Dagegen helfen gewölbte Gehäuse-Frontscheiben, sogenannte Domeports. Bei offenen Blenden führt diese Kombination zu unerwünschten Randunschärfen. Durch Abblenden wird dieser Effekt reduziert.

Das alles klingt nach einem hohen technischen Aufwand …

Ja, das ist so. Die anspruchsvolle Unterwasserfotografie ist eine Materialschlacht. Eine Profi-Kamera, mehrere Profi-Objektive, ein hochwertiges Gehäuse, ein spezieller Blitz. Meine Kunden geben für das gesamte System im Schnitt 20.000 Euro und mehr aus ...

Was machen Unterwasser-Foto-Fans mit weniger großem Portemonnaie?

Für alle, die nicht gleich auf Profi-Niveau fotografieren wollen, gibt es durchaus bezahlbare Alternativen. Für reine Erlebnisbilder, an denen ich auch viel Spaß haben kann, reicht im Zweifel eine Unterwasser-Kompaktkamera wie die Nikon COOLPIX AW130. Die ist immerhin auch bis 30 Meter Tiefe wasserdicht. Wer aber qualitativ ansprechende Bilder machen möchte, die man in Zeitschriften wie National Geographic, Geo oder TAUCHEN veröffentlichen kann, kommt heute an einer entsprechend teuren Profi-Ausrüstung nicht vorbei.

Die Unterwasserfotografie ist also anspruchsvoller geworden …

Ja, dramatisch sogar. Der Qualitätsanspruch ist viel höher als früher, auch dank der besseren Fototechnik. Mit aktueller Kameratechnik und ein paar Workshops kann inzwischen jeder sehr gute Bilder machen. Dadurch haben wir heute eine Schwemme von vielen exzellenten Unterwasserbildern und es können nur noch wenige von der Unterwasserfotografie leben. Um weiterhin aufzufallen, muss man kreativ werden.

Wie müssen wir uns das vorstellen: kreative Unterwasserfotografie?

Ich kann beispielsweise mit entfesselten Sklavenblitzen arbeiten, die ich ins Riff lege, um das Motiv von hinten zu beleuchten oder die Umgebung auszuleuchten und mehr Tiefe ins Bild zu bringen. Oder man fotografiert mit sogenannten Snoots. Diese reduzieren die Lichtwirkung des Blitzes extrem, sodass nur das Hauptmotiv beleuchtet wird. Ich persönlich nutze darüber hinaus weitere Gestaltungselemente. Etwa Röhren, durch die ich fotografiere, um bunte Ränder rund um mein Motiv zu erzeugen. Oder Hintergrund-Folien, die eine schönes Bokeh erzeugen. Oder ...

Wie stehst du zum Thema Bildbearbeitung?

Bildbearbeitung ist im Bereich der Naturfotografie ein kritisches Thema. Für mich hängt es stark davon ab, was ich mit den Bildern machen möchte. Wenn ich die Bilder nur für mich nutze, sie ausdrucke und an die Wand hänge oder im Internet zeige, ist aus meiner Sicht alles erlaubt. Dafür entwickelt Nikon doch Digitalkameras, damit wir Bilder optimieren können. Dies ist im Übrigen ein weiterer spannender Aspekt mit Blick auf Nikon-Kameras: Unter Wasser fotografiert man immer im RAW-Format, damit man möglichst viel aus den Bildern herausholen kann. Das geht mit Nikon-Kameras, insbesondere mit der Nikon D850 hervorragend viel besser als mit Kameras anderer Hersteller.

Wo hingegen siehst du Bildbearbeitung kritisch?

Etwa wenn ich an einem Fotowettbewerb teilnehmen möchte. Dann sollte ich meine Einstellungen und Eingriffe sehr konservativ handhaben, schließlich geht es bei solchen Wettbewerben darum, die Natur so zu zeigen, wie sie ist. Erlaubt ist dann nur, was man mit dem RAW-Konverter machen kann, ein minimales Croppen und minimale optische Korrekturen wie das Entfernen von Schwebeteilchen. Ich persönlich habe mittlerweile sehr viele Bilder von vielen typischen Motiven unter Wasser. Daher nehme ich mir nicht mehr die Zeit, stundenlang Bilder zu optimieren. Wenn der Aufwand bei einem Bild größer als fünf Minuten ist, wandert es in die Tonne.

Abschließend: Hast du so etwas wie ein Lieblingstier?

Lieblingstier ist vielleicht das falsche Wort. Natürlich sind Haie immer eine ziemliche Show und weit weniger gefährlich für den Menschen, als man denken könnte. Wir passen einfach nicht ins Beuteschema. Es gibt aber noch viele weitere Tiere, die immer wieder aufs Neue faszinieren: Mantas etwa, die durch ihre Eleganz bestechen. Oder Falterfische, die durch ihre wundervollen Farben ebenso bezaubern wie Anemonenfische, bekannt aus dem Animationsfilm „Findet Nemo“. Etwas ganz Besonderes ist auch das Tauchen mit Seelöwen. Die knabbern einen gern mal freundschaftlich an oder bellen – dann kann man die Luft aus dem Maul entweichen sehen. Äußerst beliebt sind darüber hinaus Nacktschnecken, weil sie extrem knallige Farben besitzen. Deshalb gibt es sogar ganze Bildbände nur über Nacktschnecken. Ich persönlich finde sie hingegen einfach nur langweilig.

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