GLORIA BRESSAN: FOOD-FOTOGRAFIE MIT DER NIKON D850

Montag, 04. April 2022

Buon Appetito! Ein Interview mit der italienischen Food-Fotografin Gloria Bressan.

Gloria, in deinem früheren Leben warst du Flughafenmitarbeiterin. Wann und wie kamst du auf die Idee, Fotografin zu werden?

Die Fotografie hat mich schon immer begeistert. Als ich dann 2010 aus familiären Gründen von Italien nach Zürich gezogen bin, aber weder Deutsch noch besonders gut Englisch sprach, dachte ich: Ich suche mir einen Job, bei dem ich auch mit wenigen Worten auskomme. Ich habe mir eine Nikon D700 zugelegt und angefangen Hochzeiten im Raum Zürich zu fotografieren. Wenn es mir an Worten mangelte, habe ich das – typisch Italienerin – durch Gesten kompensiert. Das kam erstaunlicherweise ganz gut an (lacht).

Du bist also gleich richtig ins Hochzeitsfotobusiness eingestiegen, einfach so?

Ich habe zunächst unentgeltlich gearbeitet, um Erfahrung zu sammeln. Parallel dazu habe ich mir die technischen und kreativen Grundlagen über aberdutzende Tutorials angeeignet. Was zusätzlich geholfen hat, ist meine Offenheit, die auch mit meiner italienischen Mentalität zu tun hat. Die Leute haben sich wohl gefühlt bei den Shootings, waren ausgelassen, vor allem aber haben sie sich hinterher auf den Bildern selber gefallen. Irgendwann war ich dann soweit zu sagen, jetzt kann und will ich das beruflich machen.

Wie ging es weiter?

Um meinen Kundenstamm zu erweitern, habe ich parallel dazu für Schweizer Magazine italienische Musiker fotografiert, die in der Region aufgetreten sind und Interviews mit ihnen geführt …

... unter anderem mit Angelo Branduardi, Gianna Nannini und Jovanotti ...

Richtig. Was mich besonders gefreut hat: Gianna Nannini und Jovanotti haben jeweils eins meiner Bilder als Header für ihren Facebook-Auftritt genutzt. Alles ziemlich spannend und vielversprechend. Doch dann kam die Pandemie – und das mit den Konzerten war erst einmal Geschichte.

Wie hast du reagiert?

Ich habe mich nach Alternativen umgesehen und bin so auf das Thema Food-Fotografie gestoßen. Ich habe mich intensiv reingehangen, auch weil mir klar war, dass ich dafür völlig neue Techniken erlernen musste – etwa die Studiofotografie mit Kunstlicht.

Food-Fotografie lernt man nicht mal eben so nebenbei, oder?

Nein, ich habe einen sechsmonatigen Online-Workshop bei einem Londoner Food-Fotografen absolviert. Kurz darauf habe ich mit meinen Bildern verschiedene Wettbewerbe gewonnen, darunter die internationalen Foodelia Foodfotografie-Awards. Als ich auf der Foodelia-Website dann auch noch mehrfach als „Food Photographer des Monats“ ausgezeichnet wurde, wusste ich: Ich bin soweit.

Wie kompetitiv ist der Markt?

Es gibt eine Menge Influencer, die mit vorhandenem Licht und Smartphones arbeiten und Food-Bilder auf Instagram posten, die auf den ersten Blick wirklich schön aussehen. Auf den zweiten Blick sieht man aber: Professionellen Standards halten die Bilder meist nicht stand. Da fehlt dann einfach das entsprechende Quäntchen Foodstyling, Lichtsetzung und Bildkomposition.

Ohne Frage: Deine Food-Aufnahmen sehen sehr wertig, sehr professionell aus. Und deine freien Arbeiten wirken zum Teil so, als seien sie für große Werbekampagnen inszeniert worden. Gleichzeitig strahlen deine Bilder einen hohen Grad an Natürlichkeit aus …

Vielen Dank, genau das ist meine Intention. Es geht mir darum, einen „Wow“-Effekt hervorzurufen. Zugleich möchte ich dem Betrachter das Gefühl geben, dass er das Gericht oder das Getränk direkt vor Augen hat und dass es so lebensnah und attraktiv aussieht, dass er am liebsten sofort zugreifen würde …

… was ja genau die Intention deiner Kunden sein dürfte.

Das sind zum einen Restaurants, die ihre Speisekarte, Website oder ihren Instagram-Auftritt visuell professionalisieren möchten. Zum anderen arbeite ich für Lebensmittel-Marken, die ihre Produkte ins beste Licht rücken möchten. Ich bin unter anderem offizielle Fotografin für die Events von Mondelez International (einer der weltgrößten Hersteller von Snacks und Süßwaren, darunter Oreo-Kekse, Philadelphia-Frischkäse oder Toblerone-Schokolade) in Zürich.

Wo realisierst du deine Stilllife-Aufnahmen?

Ich habe in meinem Haus in Zürich einen Raum zum Studio umfunktioniert, dort halte ich auch eine große Menge an Requisiten und Hintergründen bereit. Durch die Tatsache, dass ich kein separates Studio mieten muss, kann ich meine Preise vergleichsweise moderat gestalten.

Noch einmal zurück zu deinem natürlichen Look: Wie erzeugst du den?

In der Food-Fotografie arbeite ich fast ausschließlich mit Studio-Blitzlicht und speziellen Lichtformern. Mein Ziel ist es aber, den Blitz so einzusetzen, dass er wie natürliches Licht wirkt – als ob die Sonne durch ein Fenster auf die Szenerie fallen würde. Der natürliche Look entsteht also im Wesentlichen in der Kamera, der Photoshop-Anteil am Endergebnis ist vergleichsweise klein.

Apropos Kamera, welche setzt du ein?

Ich arbeite mit der Nikon D850, der D800 und der D750, wobei die Nikon D850 meine Hauptkamera ist.

Was schätzt du an diesem Modell besonders?

Die Auflösung ist super, und der Autofokus packt sicher zu, die Bilder sind immer superscharf, und das auf Anhieb. Darüber hinaus liebe ich den Touchscreen der Kamera. In meinem Home-Studio schieße ich zwar oft „tethered“ direkt in den Rechner. Wenn ich in Restaurants arbeite, kann ich aber mit den Fingern in das Bild hineinzoomen und direkt auf dem Kameradisplay detailliert beurteilen, ob alles so ist, wie ich bzw. mein Kunde sich das vorgestellt hatte. Das ist ein großer Vorteil.

Welche Objektive nutzt du?

Ich arbeite gerne mit Festbrennweiten, konkret mit dem AF-S NIKKOR 20 mm 1:1,8G ED, dem AF-S DX Micro-NIKKOR 40 mm 1:2,8 G und dem AF-S NIKKOR 50 mm 1:1,4G. Bei Reportagen habe ich auch das  AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G ED und das AF-S NIKKOR 70-200 mm 1:2,8E FL ED VR am Start. Speziell für die Food-Fotografie habe ich mir darüber hinaus das AF-S VR Micro-Nikkor 105 mm 1:2,8G IF-ED angeschafft, das einen extrem definierten Fokuspunkt besitzt. Der Umgang erfordert am Anfang vielleicht ein wenig Eingewöhnung, aber es ist wirklich ein sensationelles Objektiv. Überhaupt empfinde ich die NIKKOR Optiken als herausragend. Irgendwann habe ich mir aus einer Laune heraus ein Objektiv eines anderen Herstellers gekauft. Das habe ich am Ende aus Qualitätsgründen aber nie benutzt.

Wo liegen aus deiner Sicht die Hauptherausforderungen bei der Food-Fotografie?

Es gilt viele technische Details, die man beachten muss, etwa die Kalibration des Lichts oder dessen optimale Positionierung. Die größte Herausforderung besteht aber darin, unerwünschte Reflexionen zu verhindern, allen voran das Einspiegeln der Umgebung ins Motiv.

Und? Wie verhinderst du das?

Einfach gesagt, indem ich die Kamera hinter einer weißen Fläche verstecke und nur das Objektiv „durchschauen“ lasse.

Summa summarum: Was reizt dich an diesem Genre?

Mir gefällt der kreative Aspekt, die Fantasie, die es erfordert, um ein Setup zu konstruieren, um mit den Farben und Formen und der Requisiten zu spielen, damit am Ende alles atmosphärisch und kompositorisch stimmig wirkt. Hinzu kommt: Es ist eine ziemlich entspannende Art des Arbeitens. Natürlich macht es Spaß bei Hochzeits- oder Eventshootings mit dem Gegenüber zu kommunizieren. Aber in der Menschenfotografie kann es schon herausfordernd sein, in kurzer Zeit Vertrauen aufzubauen, das die unbedingte Voraussetzung für gute Bilder ist. In dieser Hinsicht ist die Food-Fotografie eine wirklich schöne Abwechslung.

Es gibt Bilder von dir, bei denen Dinge durch die Luft fliegen, Pfannkuchen etwa. Sind die in Echtzeit so entstanden?

Nein, das wäre kaum machbar. In aller Regel hänge ich die „fliegenden“ Lebensmittel an Nylonfäden auf, und retuschiere diese anschließend in Photoshop. Eines der wenigen Bilder, bei denen etwas wirklich durch die Luft fliegt, ist das, wo ich ein Ei aufschlage, das dann auf ein mit Mehl bedecktes Holzbrett fällt. Für diese Aufnahme habe ich aber auch rund 50 Eier verbraucht. Anschließend haben wir ein ziemlich großes Omelette gebacken.

Das heißt, man kann die Lebensmittel aus deinen Shootings hinterher einfach aufessen?

Ich verzichte auf künstliche Hilfsmittel wie Sprays oder Kunststoffe und bestreiche die Lebensmittel allenfalls mit Öl, um sie frischer aussehen zu lassen. Fakes lehne ich ab, ich will dem Betrachter ja nichts vorgaukeln. Der schöne Nebeneffekt ist: Nach dem Shooting gibt’s was Leckeres zu essen. Der andere Nebeneffekt ist: Ich habe drei Kilo zugelegt, seit ich mit der Food-Fotografie angefangen habe (lacht).

WHAT'S IN MY BAG

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