ABGEFAHRENE KUNST: ALEXANDRA LIER UND IHRE MUTANT VEHICLES

Montag, 18. Oktober 2021

Seit 2014 dokumentiert die Fotokünstlerin Alexandra Lier mit ihren Nikon-Kameras die Fahrzeuge, die auf dem legendären Burning Man Festival in der Black Rock Desert in Nevada (USA) kurven und deren Schöpfer. Das Ergebnis sind dramatische und filmische Fotos.

Alexandra, bitte sag doch mal kurz: Wer bist du und was machst du?

Ich lebe in Hamburg, komme ursprünglich aus Frankfurt und habe dort mal Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie und Film studiert und anschließend über viele Jahre als Kreativ-Direktorin bei großen Agenturen wie Jung von Matt oder BBDO Sydney gearbeitet, sowohl fest als auch frei. In den letzten zehn Jahren habe ich mich aber vor allem auf meine freien Fotoprojekte konzentriert, die sich in irgendeiner Form mit ungewöhnlichen Motorsportarten und ihren Protagonisten auseinandersetzen.

Alexandra Lier auf dem Gelände des Burning Man Festivals in der Wüste Nevadas.

In deinen auch als Buch erschienen Serien Speedseekers und The World´s Fastest Place erzählst du die Geschichte der Geradeaus- und der Salzsee-Rennen, bei denen die Piloten Geschwindigkeiten von 800 km/h und mehr erreichen. Wieso diese Vorliebe für den Motorsport?

Das weiß ich auch nicht so genau. Schon als Kind habe ich mit Hot-Wheels-Autos gespielt, als Jugendliche an Motorrädern herumgeschraubt. Ich fahre einen Plymouth Barracuda, Baujahr 1967 und hatte ein Motorrad Yamaha XT 500. Ich bin motorsportverrückt, und das seit ich denken kann.

Auch in deiner jüngsten Fotoserie geht es um sehr spezielle Fahrzeuge, um die sogenannten „Mutant Vehicles“, die alljährlich über das Gelände des Burning Man Festivals in der Wüste Nevadas cruisen. Was sind das für Gefährte?

Der Begriff „Mutant Vehicles“ ist von den Machern des Burning Man geprägt worden, bei dem es ja im Wesentlichen um Stehgreif-Kunstperformances geht. Es handelt sich um stark modifizierte Fahrzeuge, die buchstäblich abgefahren genug sind, um von einer Kommission als Teil dieser Performance anerkannt zu werden. Neben ihrem performativen Charakter haben diese Art cars aber auch eine praktische Funktion. Sie dienen als Fortbewegungsmittel. Die Entfernungen auf dem Gelände sind nämlich immens, und nicht alle Spots lassen sich zu Fuß oder per Fahrrad erreichen – zumal immer mal wieder Sandstürme toben.

Wie müssen wir uns diese Fantasy-Fahrzeuge konkret vorstellen?

Es gibt die unterschiedlichsten Formen. Einige „Mutant Vehicle“ sehen aus wie Dreimaster, Schlösser, UFOs, Cupcakes oder Leuchttürme, andere wie Schwäne, Pferde, Nashörner oder krabbelnde Insekten. Eines hat die Gestalt eines Riesen-Staubsaugers, der den Wüstensand aufzusaugen scheint. Viele der „Mutant Vehicle“ haben schlagkräftige Soundsysteme an Bord, sind also so etwas wie fahrende Party-Inseln, andere speien Feuer oder führen dank aufwändiger Mechaniken komplexe Bewegungsabläufe aus, während sie über die Wüste kreuzen. Es sind im wahrsten Sinne des Wortes fahrende Kunstwerke.

Hast du ein Lieblings-„Mutant Vehicle“?

Besonders beeindruckt hat mir der „Pulpo Mechanico“. Der mechanische Krake kann jeden seiner Arme einzeln bewegen und separat Feuer spucken – ein Riesenspektakel. Unfassbar cool finde ich auch das „Rocket car“. Es ist sieben Meter lang und sieht aus wie ein amerikanisches Straßencabriolet, an dessen Seiten zwei riesige Zigarren angedockt haben. Das wirklich Abgefahrene aber ist: Die Reifen verschwinden nahezu unter der Karosserie. Dadurch sieht es aus, als ob das Rocket car über der Wüste schweben würde wie einst der „Landgleiter“ von Luke Skywalker aus den Star wars-Filmen der 1970er Jahre.

Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, die „Mutant Vehicle“ zu fotografieren?

Ich wollte immer schon mal zum Burning Man. Dieses Festival, das jedes Jahr Ende August für zehn Tage in der Black-Rock-Desert stattfindet, ist mit nichts anderem zu vergleichen. Ein gigantisches Kreativspektakel, an dem mehrere zehntausende Menschen teilnehmen – die größte Open-Air-Kunstausstellung der Welt. Im Vorfeld hatte ich auch schon ein paar Bilder der "Mutant Vehicles" gesehen, aber erst vor Ort begriffen, wie großartig die sind. Die meisten Fotografen dokumentieren die Aktionen und verrückten Outfits der „Burner“, wie die Festivalteilnehmer genannt werden. Als ich bei meiner ersten Reise 2014 feststellte, dass es noch kein fotografisches Projekt gab, das sich explizit mit den "Mutant Vehicles" beschäftigt hatte, war mir schlagartig klar: Das muss ich machen! Ich bin dann noch zweimal hin – 2016 und 2019.

Wie hast du das Projekt praktisch umgesetzt?

Ich bin mit meinem Mann und einer Freundin hin, wir haben in Zelten geschlafen in einem Camp, wie die Zeltgemeinschaften heißen, die sich zusammentun, um sich gegenseitig vor den Sandstürmen zu schützen und gemeinsam zu kochen. Man muss wissen: Auf dem Gelände gibt es nichts zu kaufen, man muss alles mitbringen und kann dann vor Ort nur noch tauschen. Von diesem Camp aus bin ich zu den Shooting-Locations am Rande des Playa, also der großen Freifläche in der Mitte des Geländes, weil ich einen ruhigen Hintergrund für meine Motive wollte. Das Equipment habe ich mit Fahrrädern bewegt oder auch auf einem der „Mutant Vehicles“ – wenn wir das Glück hatten mitgenommen zu werden.

Welche Kamera hattest du am Start?

Zunächst die Nikon D800 und die D810, als die D850 auf den Markt kam, bin ich zu der gewechselt. Ich hatte jeweils zwei Kamerabodys dabei, der eine war mit einem AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8E ED VR bestückt, der andere mit einem AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,8G ED. Normalerweise habe ich auch weitere Festbrennweiten am Start: ein 50er und ein 80er sowie eine 200er Festbrennweite. Aber wegen des feinen Staubs in der Luft wollte ich ein Wechseln der Objektive nicht riskieren. Ausgeleuchtet habe ich die Motive mit entfesselten Blitzgeräten, mein Mann und meine Freundin haben mir assistiert.

Der „Pulpo Mechanico“ hat Alexandra Lier besonders beeindruckt.

Du arbeitest schon seit 1999 mit Nikon. Was schätzt du insbesondere an der D850?

Den actiontauglichen 153-Punkt-Autofokus, der ist super bei dynamischen Aufnahmen, das Klapp-Display mit der Touchscreen-Funktion, den tollen Dynamikumfang, das spritzwasser- und staubgeschützte ergonomische Gehäuse und natürlich die hohe Datenmenge, die der 45,7 Megapixel Sensor liefert. Das reicht für wirklich große Ausstellungsprints –  und das ist ja der Markt, den ich als Fotokünstlerin anvisiere.

Du hast auch Filme gedreht – ebenfalls mit der D850?

Nein, die sind mit der spiegellosen Nikon Z 6 entstanden. Eine wirklich coole Kamera mit einem tollen Handling, die 4k ermöglicht und mit der man sogar in RAW drehen kann, wenn man einen externen Aufsteckmonitor mit separatem Speicher nutzt. Dank des FTZ-Adapters konnte ich meine Objektive verwenden.

Hattest du aufgrund der sandgetränkten Luft irgendwelche technischen Ausfälle?

Alles ist glatt gelaufen. Die Nikons sind ja sehr robust und gut abgedichtet. Anfänglich habe ich versucht, die Kameras zusätzlich mit Folien gegen den Staub zu schützen, aber das macht das Fotografieren einfach zu umständlich. Was ich aber empfehlen kann, ist eine beschnittene Socke übers Zoom zu ziehen. Das hat prima geholfen.

Am Ende hast du dich entschlossen „Mutant Vehicles“ als Buch herauszubringen. Warum?

Geld verdienen kann man mit Büchern nicht, sie sind aus meiner Sicht aber eine gute Form um das eigene Portfolio dauerhaft sichtbar zu machen. Dank einer Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter schreibe ich immerhin eine schwarze Null – trotz des hohen Aufwands. Neben den Vehicles habe ich ja auch die Künstler in ihren Shops in der San Francisco und Los Angeles Area besucht, interviewt und portraitiert. Am Ende hatte ich soviel Bilder aber auch Filmclips und Tonmaterial, dass die Idee entstand, das Buch multimedial zu verlängern – inklusive einiger „Augmented reality“-Elemente. Über QR-Codes kann man beispielsweise Musik aus einem der Mutant cars hören oder die Fahrt eines der Art cars aus dem Cockpit erleben. Das Highlight aber ist: Man kann mit der App, die ich entwickelt habe, um das Rocket car „herumspazieren“ – dafür habe ich es eigens als computergeniertes Bild rendern lassen.

Abschließend: Wo kann man dein Buch kaufen?

„Mutant Vehicles“ habe ich im Eigenverlag herausgebracht, die Adresse lautet
www.mutantvehicles-book.com

Mutant Vehicles: Zusammengefasst in einem hochwertigen Fotobuch.

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